Nachgefragt: Digitale Transformation – ein Definitionsversuch
Zum Thema „Digitale Transformation“ hier ein Gespräch mit Susanne Haase. Sie ist Sr. Solution Architect IAM EMEA bei One Identity.
Frage: „Digitale Transformation ist eine der Begriffsprägungen bei denen verschiedene Menschen verschiedene Definitionen zugrunde legen. Warum ist das so und wie lautet Ihre Definition?“
Haase: „Es existiert eine Vielzahl von Studien und Statistiken zum Thema. Entsprechend unterschiedlich sind die Definitionen. Grundsätzlich geht es aber immer um den Endkunden, die Kundenerfahrung und letztlich die Kundenzufriedenheit. Gemeint sind Geschäftsmodelle, die für eine nahtlos funktionierende und dynamische Kundenerfahrung sorgen und das auf der Basis von digitalen, sozialen und mobilen Technologien. Das setzt einen fundamentalen Wandel voraus bei dem wie Organisationen zukünftig denken und arbeiten. Damit geht einher wie Firmen diese digitalen, sozialen und mobilen Technologien einsetzen um ihr Unternehmen agiler zu machen und die Wertschöpfung zu verbessern. Digitale Transformation betrifft immer das Unternehmen als Ganzes und nicht nur einzelne Teile. Damit sie tatsächlich stattfinden kann, sind Menschen und Technologien gefragt.“
Frage: „Wie weit sind Ihrer Meinung nach die meisten Unternehmen auf ihrem Weg der digitalen Transformation bereits gekommen?“
Haase: „Wenn man ehrlich ist, beschränkt sich die digitale Transformation in vielen Fällen auf das Integrieren cloud-basierter Anwendungen. Zwar sehen wir mehr und mehr dieser Anwendungen, aber sie erfassen längst nicht alle Bereiche. Was ganz real passiert ist, dass Unternehmen sich in Richtung hybrider Umgebungen bewegen, die sowohl aus On-Premises-Lösungen als auch aus cloud-basierten Lösungen bestehen.“
Frage: „Wie wirkt sich diese Vorgehensweise auf Firmen aus?“
Haase: „Die digitale Transformation schreitet voran und sie hat drei ganz entscheidende Folgen. Erstens: Unternehmen werden deutlich mehr in digitale Technologien investieren. Zweitens: Geschäftsführer erwarten steigende Umsätze als Resultat der digitalen Transformation. Und drittens wird ein steigender Anteil des allokierten IT-Budgets in Technologien und Maßnahmen zur digitalen Transformation fließen.“
Frage: „Welche Technologien sind konkret notwendig?“
Haase: „Eine der Technologien, die eine digitale Transformation effektiv unterstützen, ist das Identity und Access Management (IAM). In der Welt des IoT bekommt (und braucht) praktisch alles und jedes eine eigene Identität, vergleichbar der menschlichen Identität. Das betrifft Apps, Geräte und Dienste. Um alle effektiv zu steuern und im Blick zu behalten benötigen sie zwingend eine eigene Identität. IAM bringt all das unter einen Hut. Und ist damit einer der Schlüsselbausteine, wenn die digitale Transformation in einem Unternehmen gelingen soll. IAM muss ein Business-Enabler, also geschäftsfördernd für die IT-Organisation sein: Identitätssilos werden aufgebrochen und man erhält einen Gesamtüberblick aller Identitäten. Das sind Identitäten von Angestellten, Kunden, Verbrauchern aber auch von Applikationen und Geräten und so weiter. Außerdem muss in dieser Zeit des Wandels besonders darauf geachtet werden, dass ein IAM-Projekt den Prozess der Transformation nicht aufhält. Konnektoren zu erstellen, zu provisionieren, zu deprovisionieren etc. nimmt unter Umständen zu viel Zeit in Anspruch und kann sehr aufwendig sein. Unternehmen müssen eine IAM-Strategie entwickeln oder doch wenigstens darüber nachdenken, wie IAM als Business Enabler das Unternehmen unterstützt. Sich allein auf Verwaltung und Governance zu konzentrieren reicht einfach nicht mehr aus.“
Frage: „Wenn die digitale Transformation erfolgreich verlaufen soll, brauchen wir dann eine besondere Unternehmenskultur?“
Haase: „Zumindest braucht man ein anderes Verständnis und eine andere Herangehensweise als die traditionelle. Eine Sicherheitsstrategie, die sich wie bisher auf „Einschränken und Kontrollieren“ verlassen hat, muss sich zu einer echten digitalen Strategie wandeln. Was bedeutet das? Sie muss sich darauf konzentrieren ein ungeheures Ausmaß an Interaktionen zwischen Nutzern, Anwendungen und Daten zu schützen. Es dreht sich alles darum, komplexe Interaktionen und Beziehungsgeflechte zu schützen, die Unternehmensumgebungen mit ihrer Vielzahl von Geräten, Dingen und Menschen heute ausmachen.“
Frage: „Wie wichtig ist es, die digitale Transformation mit umfassenderen Geschäftstransformationen in Einklang zu bringen? Und wie kann man das möglichst effektiv tun?“
Haase: „‚Digital Leader‘ wird man nicht über Nacht. Das ist ein langer Weg. Zu einem wirklich gereiften digitalen Unternehmen zu werden, braucht deutlich mehr Änderungen als lediglich in die aktuellsten Technologien zu investieren. Sie müssen neue Geschäftsmodelle entwickeln, und sie müssen sich als Unternehmen grundlegend damit auseinandersetzen, wie sie mit Hilfe der Technologie die Art und Weise verbessern, in der sie bisher mit Kunden, Partnern, Studenten, Patienten und Angestellten interagiert haben. Wir stehen hier noch ziemlich am Anfang, wenn es darum geht wirklich ‚digitale‘ Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.“
Frage: „Welche Auswirkungen hat das auf die Belegschaft eines Unternehmens? Sind andere Fähigkeiten und Kenntnisse als bisher notwendig?“
Haase: „Jedes Unternehmen, das mit dieser Entwicklung Schritt halten will, wird sich verändern müssen. Die digitale Transformation erfordert strukturelle Änderungen. Ein Resultat sind neu entstehende Berufsbilder, wie zum Beispiel der ‚Chief Digital Officer‘, der auf der Führungsebene eines Unternehmens angesiedelt ist. Aber in der Tat zeigen sich an dieser Stelle auch Qualifikationsdefizite. Unternehmen, die sich jedoch der digitalen Transformation verschließen, werden es mit neuen, gänzlich anders operierenden Marktteilnehmern zu tun bekommen. Marktteilnehmer, die niedrigere Betriebskosten haben und die in der Lage sind, mit weniger mehr zu erreichen.“