KI-Bots im Kundenservice: Eine Partnerschaft zwischen Menschen und Maschine
Autor/Redakteur: Lewe Zipfel, Senior Director Solutions Consulting Northern & Eastern Europe bei Genesys/gg
In der Ära der Künstlichen Intelligenz (KI) erobern virtuelle, generative Assistenten – die Bots – das Contact Center. Mit ihren automatisierten Antworten suggerieren sie bis zu einem gewissen Grad einen persönlichen Kontakt und zeigen, dass auch im Self-Service ein zufriedenstellendes Kundenerlebnis liegen kann.
Bots sind nützliche Helfer, gerade in Zeiten von Fachkräftemangel: Sie reduzieren die Anrufe beschäftigter Kundendienstmitarbeiter, indem sie Anfragen beantworten und Kundenprobleme bis zu einem gewissen Grad selbstständig lösen. Zudem bewerten sie die Kundenanliegen nach Dringlichkeit, Priorität und Art. Dabei sammeln sie wertvolle Daten, um den Mitarbeitern zu helfen. Dies reduziert die durchschnittliche Bearbeitungszeit und verbessert die “First Call Resolution” (FCR) – die Fähigkeit des Kundendienst-Teams, Anliegen im ersten Kontakt erfolgreich zu lösen. Sie führen durch die verschiedenen Servicepfade, achten darauf, was der Kunde braucht und finden automatisch die notwendige Ressource.
Es ist allerdings nicht alles Gold, was glänzt: Obwohl sich immer mehr Verbraucher von Bots helfen lassen – 2017 waren es gerade mal 14 Prozent, aber 2021 schon 34 Prozent – hält sich die Begeisterung für diese automatisierten Kundengespräche in Grenzen. So zeigt der Bericht “The State of Customer Experience”, dass im Jahr 2021 nur noch jeder vierte Kunde angibt, mit seinen Bot-Interaktionen zufrieden zu sein. Wenn die Interaktion mit einem Bot den Kunden frustriert, droht sich das auf die Kundenbeziehung zum Unternehmen negativ auszuwirken. Im schlimmsten Fall verliert das Unternehmen Kunden. Hinzu kommt: Der Bot wird nach schlechten Erfahrungen weniger genutzt. Seine Leistungsfähigkeit verschlechtert sich damit weiter. Die Erkenntnis daraus: Ein Bot ist nur dann gut, wenn er für den Kunden ein positives Nutzererlebnis erzielt und das geht nicht ohne den menschlichen Faktor. Der Erfolg von KI im Kundenservice hängt also von mehr ab als der Technik.
Die Achillesferse der Sprach-Automatisierung
Sobald es um Technologien wie Natural Language Processing (NLP), maschinelles Lernen oder künstliche Intelligenz geht, hält sich hartnäckig ein Mythos: Die zuständigen Verantwortlichen im Unternehmen glauben gern, dass ihre Arbeit getan ist, wenn sie einen Bot erstellt haben und ihn laufen lassen. Sie gehen davon aus, dass dieser auf magische Weise weiß, wie er auf alle Kundenanfragen reagieren soll – selbst auf solche, für die er nicht trainiert wurde. Gleichzeitig stellen Kunden Anforderungen, die über die Möglichkeiten eines virtuellen Assistenten hinausgehen, weil sie nicht wissen, was er kann.
Wenn Kundendienstleiter Performance und Ergebnisse anhand der Key Performance Indikatoren (KPIs) beobachten und einen Leistungsabfall bemerken, geben sie meist dem Bot die Schuld. Doch dieser benötigt Pflege und Betreuung, damit er alle Beteiligten zufriedenstellen kann. Trainieren allein reicht nicht. Wer einen virtuellen Kundendienstmitarbeiter einstellt, muss kontinuierlich evaluieren, ob die Maschine die vorgegebenen KPIs erfüllt und er muss ihr Feedback geben. Das heiß, seine Aufgabe ist es, die KI zu trainieren, das Ergebnis zu messen und zu analysieren, die Prozesse zu optimieren und das Ganze immer wieder zu wiederholen. Call Center Agenten werden also nicht nur durch KI unterstützt, umgekehrt unterstützen sie KI auf dem Weg zum Self-Service.
Wie lernen Bots?
Will man einen Bot lehren, wie er kommunizieren soll, ist das vergleichbar mit dem Unterrichten eines Kindes. Da die Bots ein breites Publikum bedienen, stoßen sie auf vielfältige Arten von Anfragen. Die Informationen, die sie brauchen, um diese zu beantworten, ändern sich im Laufe der Zeit. Neue Richtlinien, Produkte, Preisstrategien und Standorte – über alle diese Veränderungen muss auch der virtuelle Assistent auf dem Laufenden sein. Denn er kann nur aus der Wissensquelle Antworten geben, aus der er sich bedient. Ansonsten wird er nicht adäquat reagieren können. Die Kundendienstmitarbeiter müssen deshalb sicherstellen, dass er möglichst immer zuverlässig antwortet. Nur auf diese Weise können sie dafür sorgen, dass die Kunden mit den automatisierten Erfahrungen zufrieden sind. Optimierte Bots können sogar als Grundlage für alle ersten Interaktionen dienen. Dennoch erfordert ein zufriedenstellendes „End-to-End“-Erlebnis mehr als nur exakte Antworten. Die Maschinen müssen auch erkennen können, wenn eine Konversation über ihre eigenen Fähigkeiten hinausgeht, und angemessen darauf reagieren.
Best Practice: Die Kunst der reibungslosen Konversation
Wenn ein automatisiertes System im entscheidenden Moment mitteilt: “Es tut mir leid, ich kann Ihnen nicht helfen. Besuchen Sie unsere Support-Site”, erzeugt diese Auskunft Frustration beim Kunden. Um diese abzufangen, muss das Gespräch während der gesamten Kunden-Interaktion reibungsfrei weiterlaufen, also möglichst „menschlich“ sein. Beispielsweise darf keine einmal gegebene Information erneut abgefragt werden. Dazu bedarf es einer ausgeklügelten Orchestrierung. Definierte Absichten und festgelegte Abläufe, die an der Marke orientiert sind, damit die integrierten Systeme wunschgemäß funktionieren – das sind Unternehmensaufgaben für die nächsten Jahre. In idealen Situationen verfolgt der automatisierte Helfer den Verlauf der Kundenreise mit, personalisiert die Unterhaltung, indem er den bisherigen Verlauf berücksichtigt, und übergibt im Zweifel die Kommunikation an einen menschlichen Kundendienstmitarbeiter, der das Anliegen aufgreifen und lösen kann.
Das Zusammenspiel von Kundendienstmitarbeitern und Bot
Unternehmen müssen verstehen, dass auch KI-Bots nicht jedes Mal adäquat reagieren können. Unerwartete Kundenanfragen sind Teil der Realität. Will man auf viele verschiedene Situationen vorbereitet sein, liegt der Erfolg darin, menschliches Feedback in die Entwicklung der KI-Bots zu integrieren. Die Mitarbeiter spielen demnach eine essenzielle Rolle, denn ihr Wissen und ihre Intuition weisen der KI den Weg. Die Mitarbeiter werden von der KI nicht nur unterstützt, sondern sie fördern diese auch aktiv und ebnen ihr den Weg zum Self-Service. Diese Mensch-Maschine-Beziehung ist das Herzstück einer erfolgreichen Automatisierungsstrategie im Contact Center.