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Die nachhaltige Cloud ist kein Selbstläufer

Autor: Eric Berg, Vice President Consulting Expert bei CGI Deutschland/gg

Die Erfolgsstory von Cloud Computing hat viele technische, operative und finanzielle Gründe. Und was ist mit der Nachhaltigkeit? Die Unterstützung von Klimaschutzzielen durch die Cloud ist kein Automatismus. Sie müssen bei der Cloud-Migration vielmehr von vorneherein mitbedacht, und konsequent umgesetzt werden.

Eric Berg, Vice President Consulting Expert bei CGI Deutschland. (Quelle: CGI)

Ohne Strom gibt es keine IT. Jede Suchanfrage, jeder Webseiten-Klick, jede E-Mail und jeder Social-Media-Post verbraucht Energie. Nach einer Studie des Digitalverbands Bitkom stieg allein der jährliche Energiebedarf deutscher Rechenzentren und kleinerer IT-Installationen innerhalb von zehn Jahren (2010 bis 2020) von 10,5 auf 16 Milliarden Kilowattstunden. Die Energiebilanz hat sich zwar im Laufe dieses Jahrzehnts kontinuierlich verbessert – Rechenzentren bieten heute im Vergleich zu 2010 eine fünffach höhere Leistung pro Kilowattstunde – trotzdem reichen diese Aktivitäten aus Umweltsicht nicht aus. Die Bundesregierung fordert daher den klimaneutralen Betrieb aller neuen Rechenzentren ab 2027.

Cloud Computing erscheint da als sinnvoller Weg. Laut Bitkom liefern Cloud-Rechenzentren mittlerweile ein Drittel der Rechenzentrumsleistung, Tendenz steigend. Die Gründe dafür sind in erster Linie konzeptionell bedingt. Die wachsende Beliebtheit der Cloud hat eine ganze Reihe technischer, operativer und finanzieller Gründe: höhere Flexibilität und Skalierbarkeit, attraktive Einstiegspreise, Investitionskosten die gegen Null tendieren und Abrechnungsmodelle, die die IT-Kosten von steuerrelevanten Investitionsausgaben (CapEx) zu steuermindernden Betriebskosten (OpEx) verschieben.

Und die ökologischen Aspekte? Ein weitverbreitetes Vorurteil wiegt sich in der irrigen Annahme, Cloud Computing wäre per se nachhaltiger. Irrtum! Richtig ist: Cloud Computing birgt einige Optionen zur nachhaltigeren IT-Nutzung, vorausgesetzt es wird richtig um- und eingesetzt. Erst dann kann die Cloud einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Der richtige Einstieg

Generell birgt Cloud Computing eine Reihe konzeptioneller Vorteile gegenüber herkömmlichen IT-Architekturen, die sich auch positiv auf den ökologischen Fußabdruck auswirken. Der wohl bedeutendeste ist die weitaus größere Skalierbarkeit. Die gerade benötigten Rechen-, Transaktions- oder Speicherkapazitäten können blitzschnell hoch, und vor allem auch wieder heruntergefahren werden. Die tradierten On-premises-Architekturen von Legacy-Systemen dagegen müssen prinzipbedingt überdimensioniert angelegt werden, um auch Lastspitzen abarbeiten zu können. Das bedeutet im Umkehrschluß, dass sie für die täglichen IT-Anforderungen eigentlich viel zu groß sind. Sowohl der Ressourcen-Verbrauch bei der Anlage des Rechenzentrums, als auch bei dessen Betrieb ist also viel zu hoch. Technische Tricks wie beispielsweise das vor allem aus Storage-Systemen bekannte Thin Provisioning helfen da nur bedingt. Optimale Lastenverteilung sieht anders aus. Der erste sinnvolle Schritt ist es daher logischerweise, Cloud Computing für genau diese Lastspitzen zu nutzen.

Infrastruktur-Mix und Right Sizing

Schon diese Maßnahme ermöglicht es, das eigene Rechenzentrum teilweise zurückzubauen. Es muss jetzt „nur noch“ den ganz normalen IT-Betrieb sicherstellen. Das führt bereits zu einer nennenswerten Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks und gleichzeitig zu einer willkommenen Kostensenkung. Mit dem Verzicht auf überdimensionierte Kurzzeit-Ressourcen ist gleichzeitig der erste Schritt zur Cloud-Migration getan. Er bietet zudem die Möglichkeit, erste Erfahrung damit zu sammeln, die später nutzbringend eingesetzt werden können. Denn im nächsten Schritt steht die Prüfung an, ob und wenn ja welche weiteren IT-Services in die Cloud verlagert werden sollten.

Die anspruchsvolle Aufgabe liegt also darin, die richtige Mischung zwischen Legacy-System und Cloud Services zu finden, also zu entscheiden, welche Services migriert werden sollen. Richtschnur dafür sind einerseits rechtliche Vorgaben, andererseits aber auch unternehmenskritische Überlegungen. So benötigen viele Unternehmen beispielsweise aus Datenschutzgründen eine eigene IT-Infrastruktur für kritische Daten, für andere spielen Hochverfügbarkeitsaspekte eine zentrale Rolle, die zumindest teilweise durch interne IT-Ressourcen abgesichert werden müssen. Jedes Unternehmen muss also den jeweils bestmöglichen Mix aus Legacy und Cloud finden – und dann umsetzen.

Der richtige Provider für die Cloud Migration

Daran schließt sich die Frage nach dem Cloud Provider der Wahl an. Neben Kosten-, Verfügbarkeits-, Sicherheits- und Datenschutzfragen spielt dabei auch die Prüfung der Energieeffizienz und ökologischen Verträglichkeit eine wichtige Rolle. Provider unterscheiden sich darin teilweise erheblich. Und sie scheuen sich mittlerweile auch nicht mehr vor einer gewissen Transparenz in Sachen Energie-Mix, Kühlverfahren oder Rechenzentrumseffizienz, sofern sie sich hier als vorbildlich präsentieren können. Viele setzen etwa auf erneuerbare Energien, beispielsweise aus Offshore-Windparks, die weitere Nutzung der Prozesswärme oder eine nachhaltige Klimatisierung mit Wasser- oder Luftkühlung.

Nachdem der passende Anbieter für die gewünschten Cloud-Ressouren gefunden ist, kann dann die Cloud-Migration auch im Sinne der Senkung des Energieverbrauchs und der Emissionen weiter ausgebaut werden. Ein nachhaltiger Einsatz von IT-Ressourcen bedeutet den partiellen Verzicht auf dedizierte eigene Server und die Nutzung von Shared-Ressourcen, die etwa als PaaS (Platform as a Service) oder SaaS (Software as a Service) von den Cloud-Providern bereitgestellt werden. Damit können zum Beispiel sukzessive eigene Datenbank- oder Mailserver abgelöst werden. Im Zuge dieser kontinuierlichen Optimierung ist es sinnvoll, nicht mehr verwendete Hardware und Systeme in der eigenen IT-Landschaft konsequent abzubauen. Das reduziert auch die von Umgebungssystemen wie Management, Monitoring, Backup oder Security benötigten Ressourcen und damit deren Energiebedarf.

Green-Coding

Über die Verschiebung von IT-Services in die Cloud hinaus können weitere Maßnahmen zur Ressourcenschonung genutzt werden. Green-Coding-Ansätze etwa optimieren Quellcodes durch die Eliminierung von redundanten und überflüssigen Code-Zeilen oder die Verwendung von Programmiersprachen, die für die jeweilige Aufgabenstellung die geringste Rechenzeit benötigen. Datenbank­abfragen beispielsweise lassen sich so weitaus schneller und energieeffizienter abarbeiten.

Cloud Computing bietet eine ganze Reihe von Optionen zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks. Inwieweit diese tatsächlich genutzt und umgesetzt werden hängt von der Art der Nutzung ab. Die Cloud ist kein ökologischer Selbstläufer. Richtig genutzt kann sie jedoch ein wertvolles Werkzeug für einen nachhaltigeren IT-Betrieb sein.