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Die Zukunft heißt Erweiterbarkeit – aber das Programmieren wird trotzdem relevant bleiben

Autor/Redakteur: Claus Jepsen, Chief Technology Officer, Unit4/gg

Schon zigmal wurde das Aus für die Software-Programmierung heraufbeschwört. Aber genauso wie Frank Sinatra machte sie immer wieder ein Comeback. Im Gegensatz zur Musiklegende, die dann doch irgendwann ihr letztes Konzert spielte, wird die Programmierung jedoch auch in Zukunft den Ton angeben. Alljährlich verkünden die Experten eine neue Prophezeiung. Low-Code/No-Code-Systeme werden das manuelle Schreiben von Code überflüssig machen oder ChatGPT werde als übermächtige Wunderwaffe Software-Programmierer gänzlich ablösen. Eines sei dahingestellt: Derzeit weist kein einziges Indiz darauf hin, dass wir in Zukunft keinen Code mehr brauchen werden. Das Gegenteil ist eher der Fall. Was aber stimmt: Maßgeschneidertes Coding wird immer mehr zu einem Phänomen der Vergangenheit, abgelöst von Software-Erweiterbarkeit.

Bild: Unit4

Software wird es immer geben. Aber wir müssen ihren Code nicht von Grund auf schreiben. Denn hier kommt Software-Erweiterbarkeit ins Spiel. Sie dient Dritten (Anbietern, Channel-Partnern etc.) als Tool, mit dem sie Programme schnell und reibungslos erweitern können. Software-Erweiterbarkeit ist nichts Neues, wird aber zunehmend reifer. Denn viele Kunden kehren dem individuellen Coding den Rücken und setzen verstärkt auf den Baukastenansatz. Low-Code-Programme erweisen sich insbesondere für Nachwuchsentwickler als sehr nützlich oder für jene, die eine recht simple Software oder Test-Code entwickeln möchten. Kein Zweifel: KI-gestützter Code wird Programmierern Arbeit abnehmen, sodass sie sich auf die Code-Verfeinerung konzentrieren können. Gerade im ERP-Universum ist Erweiterbarkeit unerlässlich. Denn nur wenn eine Software erweiterbar ist, kann sie um neue wichtige Funktionen ergänzt oder auf bestimmte Branchenanforderungen angepasst werden.

Ein Rückblick auf die Anfänge von ERP 

Um dies besser einordnen zu können, müssen wir einen Blick zurückwerfen – auf die Anfänge von ERP, um genau zu sein. Rund um die Jahrtausendwende, als die Nachfrage stetig stieg, glaubten viele Unternehmen, dass sie nur mit maßgeschneiderten Software-Lösungen ihre spezifischen Anforderungen in den Griff bekommen konnten. Die Folge? Eine boomende Consulting-Branche, langwierige Installationen und komplizierte Wartungsprozesse, um eine monolithische Software irgendwie in etwas zu verwandeln, das den Kunden dabei helfen würde, den Betrieb am Laufen zu halten.

Rund zwanzig Jahre später gibt es wohl kaum noch ein Unternehmen, das eine Vielzahl an Programmierern beschäftigt, geschweige denn noch einstellen würde. Denn der Trend, der von Cloud-Services und Best Practices angekurbelt wird, entwickelt sich weg vom individuellen Coding hin zur Erweiterbarkeit von ERP-Software, die sich zudem in Drittanbieter-Systeme integrieren oder um branchenspezifische Add-ons erweitern lässt. Denn man hat erkannt, dass Prozesse nicht unternehmensspezifisch, sondern vielmehr branchenspezifisch sind. Es lohnt sich also, spezielle Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln, statt exklusive Prozesse.

Die Zeit für Erweiterbarkeit ist jetzt

Bei der Auswahl eines neuen Technologieanbieters sollten CIOs und CTOs heute auf die Erweiterbarkeit der Lösung achten. Von proprietären Systemen, die sie an einen bestimmten Anbieter binden, sollten sie Abstand nehmen. Davon profitiert nur der Anbieter, nicht aber der Käufer. Sie sollten sich für ein ERP-System entscheiden, das sich problemlos mit anderen Lösungen integrieren lässt. Und zwar ohne die Notwendigkeit, Code in der vom Anbieter bevorzugten Programmiersprache schreiben oder eine Vielzahl kostspieliger Module hinzufügen zu müssen.

Erweiterungspakete sollten uneingeschränkt an Partner, Dritte und Kunden ausgegeben werden, um Kreativität und Gruppendenken zu fördern – etwa wie es bei Open-Software-Umgebungen der Fall ist. Bis auf den menschlichen Intellekt und das Vorstellungsvermögen sind dieser Art von Erweiterbarkeit keine Grenzen gesetzt. Und wir haben schon viel gesehen: Partner haben automatisches Scheduling für den Outlook-Kalender entwickelt, die Protokollierung von abgeschlossenen Workflows in unserem Wanda Digital Assistant ermöglicht, Jira Projektmanagement-Timesheets synchronisiert und die Bonitätsprüfungen für Bestellungen automatisiert. Diese Microservices-Architektur liefert Kunden in Kombination mit einer großen Auswahl an Software-Add-ons und branchenspezifischer Best Practices enorme Vorteile, von schnelleren Markteinführungszeiten bis hin zu Kosteneinsparungen.

Generation sofort

In der heutigen Zeit muss alles schnell, wenn nicht sogar am besten gestern, erledigt werden. Denn wer will schon Wochen oder Monate warten, bis Systeme endlich angepasst werden. Dies können wir aber nur erreichen, wenn wir Ökosysteme schaffen und unsere Zeit nicht damit vergeuden, das Rad immer wieder neu zu erfinden.

Während Salesforce mit seinem „No Software“-Ansatz ein riesiger PR-Hit gelang und auch der Low-Code/No-Code-Trend für Furore gesorgt hat, dürfen wir nicht unsere Augen vor der Tatsache verschließen, dass wir auch heute noch immer Programmierer brauchen, die Code schreiben und Datenmodelle lesen können, um Architekturprobleme zu vermeiden, die beispielsieweise von nachgelagerten Abhängigkeiten verursacht werden.

Stellen Sie sich Programmieren wie Autofahren vor: Nur weil Sie tagtäglich mit dem Auto fahren, müssen sie noch längst nicht wissen, was unter der Motorhaube passiert oder wie Sie Ihr Auto reparieren können, wenn es nicht läuft. Genauso verhält es sich auch mit Ihrer Software. Wenn diese nicht läuft, brauchen Sie einen Experten, der sich mit den Zusammenhängen und dem komplexen Aufbau auskennt. Isaac Newton und zahlreiche andere wussten schon, dass man nur weiter sehen kann, wenn man auf den Schultern von Riesen steht. Die Zusammenarbeit mit Partnern und der Einsatz einer Code-Bibliothek sind also durchaus eine gute Idee. Gerade in einer Zeit, in der Programmierer gefragt sind, müssen wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen bestmöglich nutzen. Machen Sie sich Low-Code/No-Code und ja sogar ChatGPT zunutze, wenn diese endlich 1000 Seiten lange RFPs parsen, Software-Spezifikationen analysieren und entsprechenden Code abliefern können. Aber vergessen Sie nicht die einsatzbereiten Programme und Integrationen, die Ihnen schon jetzt zur Verfügung stehen und Ihnen heute die Funktionalität, den Komfort und die Geschwindigkeit bieten, die Ihr Unternehmen jetzt braucht.