ArtikelKünstliche Intelligenz

Machine Learning: probates Mittel gegen Online-Betrug

Ein gut trainiertes Machine-Learning-System (ML) als Kern einer Betrugspräventionslösung kann die Situation für Unternehmen drastisch verbessern. Es ist sowohl in der Lage, Anfragen nahezu in Echtzeit zu bewerten, als auch die Genauigkeit der Bewertung enorm zu verbessern. Ein Machine-Learning-Modell ist letztlich eine Sammlung hunderter dynamischer Regeln, die auf entsprechendes Training reagieren. Derzeit wird der Einsatz von ML besonders intensiv diskutiert, da generative ML-Modelle wie ChatGPT viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die grundsätzliche Herangehensweise bei der Entwicklung von ML-Modellen hat sich jedoch nicht wesentlich geändert, lediglich die Menge der verarbeiteten Daten und die Verarbeitungsgeschwindigkeit haben enorm zugenommen, so dass der Eindruck eines Paradigmenwechsels entstehen kann.

Ein Audit des Fraunhofer IPA (zweiter Schritt in der Grafik) bestätigt der ML-Komponente für die Betrugserkennungslösung von Experian eine korrekte Entwicklung und nachvollziehbare Ergebnisse. (Quelle: Experian)

Tatsächlich besteht die Entwicklung eines ML-Modells, schematisch gesprochen, aus sechs Schritten:

  1. Datensammlung: Unternehmen, die ein ML-Modell entwickeln wollen, müssen zunächst ausreichend repräsentative Daten sammeln, die für das Training des Modells benötigt werden. Qualität und Vielfalt der Daten sind entscheidend für die Leistungsfähigkeit des Modells. Ein Vorteil von ML besteht übrigens darin, dass ein ML-Modell auch mit unstrukturierten Daten trainiert werden kann und später auch solche Daten verarbeiten und auswerten kann.
  2. Datenbereinigung und Vorverarbeitung: Die gesammelten Daten müssen bereinigt und aufbereitet werden, damit sie für das Training geeignet sind. Dieser Schritt kann die Normalisierung der Daten oder andere Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität enthalten.
  3. Feature-Extraktion: Das ML-System wird dann mit Merkmalen, den so genannten Features, gefüttert und entscheidet auf der Grundlage früherer Bewertungen und des Feedbacks eines menschlichen Trainers, wie die Features in eine Entscheidung einfließen sollen. Einige Features sind wichtiger als andere, und jedes Feature erhält eine Gewichtung, die durch das Modelltraining optimiert wird. Neue Daten werden regelmäßig in das System eingespeist, um das Modell weiter zu optimieren.
  4. Modellauswahl und Training: Ein ML-Modell wird ausgewählt und mit den vorverarbeiteten Daten trainiert, wobei es iterativ angepasst wird, um die beste Leistung zu erzielen.
  5. Modellbewertung: Nach dem Training wird das Modell mit neuen Daten getestet, um seine Leistung zu bewerten. Erreicht das Modell nicht die gewünschte Leistung, kann der Trainingsprozess wiederholt werden, zum Beispiel durch erneute Vorverarbeitung der Daten oder durch Auswahl eines anderen Modells.
  6. Modelleinsatz und -überwachung: Nach dem Training und der Evaluierung kann ein ML-Modell auf neue Daten angewendet werden, um Vorhersagen zu treffen oder Klassifikationen vorzunehmen. Es ist wichtig, das Modell kontinuierlich zu überwachen und zu aktualisieren, um sicherzustellen, dass es weiterhin gute Leistungen erbringt und mit sich ändernden Daten oder neuen Betrugstrends umgehen kann.

Wie ML hilft

Leistungsfähige ML-Modelle, die alle auf einer einzigen Plattform betrieben werden können, können alle oben genannten Faktoren berücksichtigen, die sich auf die Kosten und Risiken des zunehmenden Betrugs auswirken. Da sich ML-Modelle für verschiedene Zwecke auf einer zentralen analytischen Plattform entwickeln und betreiben lassen, sind Unternehmen dazu in der Lage, die Schwierigkeiten und Kosten vermeiden, die mit der Verwaltung mehrerer Arten von Software zur Betrugsbekämpfung verbunden sind.

Die Verzögerungen und Kosten im Zusammenhang mit Anfragen, die sich aus der traditionellen, regelbasierten Betrugsbekämpfung ergeben, können durch ML-Systeme vermieden werden, da diese wesentlich schneller arbeiten und Anfragen weitaus zuverlässiger kategorisieren. ML-Modelle ermöglichen es Unternehmen auch, Strategien zur Betrugsbekämpfung mit Strategien zur Umsatzsteigerung in Einklang zu bringen. So sind Umsatzsteigerungen von bis zu 15 Prozent möglich, weil deutlich weniger valide Anfragen als betrügerisch abgelehnt werden. Auch der persönliche Einsatz von Betrugsmanagern wird deutlich reduziert.

Da ML-Systeme Anfragen deutlich zuverlässiger bewerten, reduzieren sie im Vergleich zu herkömmlichen, regelbasierten Systemen die Anzahl der False Positives und die Notwendigkeit des persönlichen Eingreifens der Betrugsmanager. So konnte das Betrugspräventionssystem Aidrian von Experian in einem E-Commerce-Szenario die False-Positive-Rate um 60 Prozent senken. 99,9 Prozent der Anfragen, die das ML-Tool als legitim klassifizierte, wurden von Betrugsmanagern als nicht betrügerisch eingestuft und daher nicht abgelehnt. Statt rund 7.000 Bestellanfragen pro Monat mussten nun nur noch 300 manuell überprüft werden – eine Arbeitserleichterung von mehr als 95 Prozent.

Auch die schnelle Anpassung von Modellen und Regeln stellt für ML-Systeme keine Herausforderung mehr dar, da die Systeme in einem iterativen Prozess einfach mit den entsprechenden neuen Daten gefüttert werden können und dann die notwendigen Änderungen weitgehend selbstständig vornehmen. Sobald eine neue Art von Betrug erkannt wird, kann sie dem Modell hinzugefügt werden, so dass das Geschäft einer Organisation zukünftig besser vor ihr geschützt ist. Durch diesen Feedback-Prozess sind ML-Modelle dazu in der Lage, sich in Echtzeit an sich verändernde Betrugsbedrohungen anpassen und ermöglichen es den Unternehmen, in Bezug auf Betrugstrends immer auf dem neuesten Stand zu sein.

Große Erwartungen

Bei all der Aufmerksamkeit, die den verschiedenen Formen der KI und ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Potenzialen derzeit entgegengebracht wird, kann leicht übersehen werden, dass KI-Methoden wie ML den Unternehmen bereits heute deutliche Vorteile bieten, die sich erheblich auf ihre Bilanzen auswirken können. Die KI-Revolution hat längst begonnen und wird ihren Mehrwert für Unternehmen in Zukunft immer stärker unter Beweis stellen.