ArtikelKünstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz verändert den Arbeitsmarkt – und die Anforderungen an IT-Fachkräfte

Autor/Redakteur: Christophe Zwaenepoel, Managing Director DACH SThree/gg

Während Chat GPT und Co. bei den einen für Aufbruchstimmung sorgen, fürchten andere um ihre Jobs. Auch Kerntätigkeiten in IT-Berufen lassen sich mithilfe von KI-Anwendungen automatisieren. Feststeht, dass dieser Trend den Arbeitsmarkt beeinflussen wird – und zwar sowohl mit Blick auf die Nachfrage nach bestimmten Stellenprofilen als auch hinsichtlich der gesuchten Kompetenzen.

Richtig eingesetzt birgt KI das Potenzial, Fachkräfte zu entlasten – vor allem durch die Automatisierung repetitiver Routineaufgaben. (© Milkos/Getty Images)

Aktuelle Studien zum Thema wirken zunächst alarmierend: Das Weltwirtschaftsforum etwa prognostiziert, dass bis 2027 rund zwei Prozent der derzeitigen Stellen wegfallen, und zwar auch aufgrund KI-basierter Automatisierung. Die Investment-Bank Goldman Sachs schätzt, dass generative KI rund ein Viertel aller Jobs überflüssig machen wird. Und eine Untersuchung der Chat GPT-Macher von Open AI hat ermittelt, dass 80 Prozent der amerikanischen Arbeitskräfte bei mindestens einem Zehntel ihrer Arbeitsaufgaben von KI-basierten Sprachmodelle beeinflusst werden dürften.

Repetitive Tätigkeiten bergen hohes Automatisierungspotenzial

Das schürt Ängste: In einer eigenen Studie unter 2.300 internationalen MINT-Fachkräften hat SThree ermittelt, dass etwa jede dritte von ihnen fürchtet, ihren Arbeitsplatz durch KI und Automatisierung zu verlieren. Um einzuschätzen, ob diese Furcht berechtigt ist, lohnt es sich, die Anwendungsgebiete der Technologie genauer zu betrachten. Dabei hilft zum Beispiel der Futuromat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dieses Tool ermittelt, welche Kerntätigkeiten verschiedener Berufsbilder sich schon heute automatisieren lassen. Für Expert:innen im Bereich IT-Netzwerktechnik, -Koordination, -Administration oder -Organisation zum Beispiel gibt es einen Wert von 38 Prozent an. Demnach lassen sich in diesen Berufsbildern vor allem technische Tätigkeiten im Netzwerkmanagement oder der Überwachung der Firewall-Systeme automatisieren. Aufgaben im Bereich Kundenberatung, Risiko-Controlling oder Datensicherheit hingegen gelten laut Tool als nicht-automatisierbar. Ähnlich sieht es bei IT-Projektkoordinator:innen, Blockchain-Entwickler:innen oder IT-Systemplaner:innen aus. Wer sich durch die Berufe klickt, erkennt ein Muster: Es sind vor allem die technischen Aufgaben mit hohem Standardisierungsgrad, deren Abwicklung sich auch technologisch abbilden lässt. Tätigkeiten mit höherem Komplexitätsgrad und strategischem, steuerndem Anteil gehören hingegen nicht dazu.

Automatisierung entlastet Fachkräfte

Somit dürften sich die meisten Jobs im IT-Umfeld eher verändern, als gänzlich zu verschwinden. Und welche Branche hat sich in den letzten fünfzig Jahren dynamischer gewandelt als die IT? Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel, die rückläufige Zahl einschlägiger Studienabgänger:innen und den anhaltenden Fachkräftemangel dürfte die Automatisierung repetitiver Routineaufgaben mehr Chancen als Risiken bergen. Bei der Software-Entwicklung zum Beispiel unterstützen KI-Anwendungen, indem sie Code vervollständigen oder erstellen, ihn auf Fehler prüfen, bereinigen und proaktiv Verbesserungsvorschläge machen. Dies sorgt für eine bessere Code-Qualität und spart Entwickler:innen Zeit. Das gilt auch für die Automatisierung von Dokumentationsaufgaben im Zuge des Entwicklungsprozesses. Die automatisierte Erzeugung von Beschreibungen für Pull Requests beschleunigt den Prozess zusätzlich.

Christophe Zwaenepoel (Quelle: SThree)

Effizientere Prozesse und mehr Zeit für strategische Aufgaben

Im First-Level-Support können KI-Anwendungen ebenfalls unterstützen, wenn sie beispielsweise Anfragen zu Routineproblemen beantworten und Nutzer:innen unmittelbare Hilfestellung bieten. Das Management von Infrastruktur und Netzwerken ist ein weiterer Bereich, in welchem sich manuelle Eingriffe durch Automatisierung reduzieren lassen. Dies gilt zum Beispiel für infrastrukturelle Abläufe wie Ressourcenbereitstellung, Netzwerkmanagement oder die Erstellung von Networking- und Sicherheitsvorlagen. Im Rahmen eines proaktiven IT-Betriebsmanagements kann KI Workload-Platzierung, -Ausgleich und Kapazitätsmanagement in hybriden Cloud-Umgebungen unter Performance- und Kostengesichtspunkten optimieren. Hinsichtlich der Gewährleistung der IT-Sicherheit ermöglichen KI-gestützte Analysen, Anomalien und Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, Problemursachen effizient zu lokalisieren und Vorfälle dadurch schnell zu beheben.

Insgesamt reduziert Automatisierung auf diese Weise die Fehlerquote und ermöglicht IT-Teams, Anwendungen und Services schneller bereitzustellen. Durch die Automatisierung von Rechenzentrums- und Cloud-Prozessen lassen sich IT-Umgebungen zudem schneller skalieren, was es Unternehmen erleichtert, sich auf neue Geschäftsanforderungen einzustellen. Durch eine dergestalt optimierte Ressourcennutzung, schlankere Prozesse und einen reibungsloseren Betrieb sparen Unternehmen darüber hinaus Kosten. IT-Expert:innen wiederum werden entlastet und haben mehr Zeit für strategische Aufgaben und größere Projekte.

Gesucht: Kreativität und analytisches Denkvermögen

Durch diese Entwicklungen verändern sich zum einen die gesuchten Job-Profile, zum anderen die geforderten Kompetenzen. So wird es dem Future of Jobs-Bericht des WEF zufolge bis 2027 rund 30 Prozent mehr Stellen für Datenanalyst:innen, Machine Learning-Spezialist:innen und Cybersicherheitsexpert:innen geben. Schließlich werden weiterhin Fachkräfte benötigt, die die Anwendungen weiterentwickeln und einen sicheren Betrieb gewährleisten. Jobs mit stark repetitivem Aufgabenanteil, etwa in der Buchhaltung oder Datenerfassung, dürften hingegen größtenteils automatisiert werden. Die betreffenden Mitarbeitenden sollten Unternehmen durch umfassende Re- und Upskilling-Maßnahmen auf neue Tätigkeiten im Rahmen der veränderten Kompetenzanforderungen vorbereiten.

Hinsichtlich dieser werden vor allem analytisches Denkvermögen und Kreativität relevanter werden. Zwar können Tools wie Chat GPT Vorschläge für Überschriften generieren und brillieren im Copywriting. Dafür brauchen sie jedoch stets einen externen Impuls und Input, auf dessen Grundlage sie aktiv werden können. Für das kreative Lösen kleinerer Alltagsprobleme mag KI somit durchaus geeignet sein, doch etwas gänzlich Neues zu schaffen, vermag sie – Stand jetzt – nicht.

Emotionale Intelligenz bleibt menschliche Eigenschaft

Emotionale Intelligenz ist eine weitere Eigenschaft, die sich bislang nicht technologisch abbilden lässt. Gerade in komplexen sozialen Situationen ist sie Voraussetzung dafür, Stimmungsbilder interpretieren und den richtigen Ton treffen zu können. Darüber hinaus ermöglicht sie einem Menschen, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen, komplexe Situationen umfassend zu beurteilen und in der Folge Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen. Denn – so viel steht fest: KI-Anwendungen bleiben ausführende Werkzeuge, die Qualität der Ergebnisse hängt entscheidend davon ab, welche Aufträge sie vom Menschen erhalten. Zudem sollten die von ihnen generierten Resultate stets vom Menschen geprüft werden, um ihre Eignung für die Lösung des initial zugrundeliegenden Problems zu prüfen. Schließlich sind die damit verbundenen Zusammenhänge oft zu komplex, als dass ein Algorithmus sie umfassend berücksichtigen könnte.

Hier kommt denn auch Empathie ins Spiel, ist doch diese Eigenschaft äußert hilfreich, um sich in eine Problemsituation hereinversetzen und aus dieser Sichtweise heraus die richtigen Fragen stellen zu können. Nur dann kann eine KI-Anwendung auf die richtige Fährte gesetzt und mit den für die Problemlösung relevanten Anweisungen gefüttert werden. Analytisches Denken und Empathie sind zugleich zwei Skills, aus denen sich Datenkompetenz speist. Diese avanciert gerade mit Blick auf die wachsende Datenmenge, die mit der Weiterentwicklung von KI-Anwendungen einhergeht und diese zugleich bedingt, zu einer erfolgskritischen Fähigkeit. Gemeint ist damit, Datenpunkte interpretieren und die Erkenntnisse in Handlungsentscheidungen übersetzen zu können. Hierfür sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden gezielt schulen, um abteilungs- und hierarchieübergreifend datengestützte Entscheidungsprozesse zu etablieren.

Lebenslanges Lernen, um vom Wandel zu profitieren

Die Arbeit wird IT-Expert:innen also nicht ausgehen, sich jedoch verändern. Ihr Fokus wird sich weg von operativen, hin zu strategischen Aufgaben verlagern. Um ihre Mitarbeitenden auf diesen Wandel vorzubereiten, sollten Unternehmen eine Kultur des Lernens etablieren, die Kompetenzen wie analytisches Denken, Kreativität und Datenkompetenz in regelmäßigen Weiterbildungen schult und fördert. Wer dem Wandel offen begegnet, hat gute Chancen, die breiten Einsatzmöglichkeiten der KI zum eigenen Vorteil zu nutzen, Prozesse zu optimieren und sich letztlich selbst das Leben leichter zu machen.