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Vier CX-Mythen, denen Sie nicht glauben sollten

Autor/Redakteur: Luke Williams, Head of Customer Experience bei Qualtrics/gg

In einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company äußerten 80 Prozent der CEOs die Meinung, dass sie ihren Kunden eine exzellente Customer Experience (CX) bieten. Leider waren nur acht Prozent der Kunden der gleichen Ansicht.

Dieses Feedback sollte zu denken geben, denn die Verbraucher haben mittlerweile eine größere Auswahl an Produkten und Dienstleistungen als jemals zuvor. Deshalb ist ein Umdenken, das zu einer ganzheitlichen Gestaltung der Customer Experience führt, gefordert. Denn nur so können die Produkte ihre Bekanntheit, ihren Share of Wallet und die positive Markenwahrnehmung ihrer Kunden stärken. Im Bemühen um eine tadellose Customer Experience gehen die Unternehmen oft von falschen Annahmen aus – Mythen, die sich zwar hartnäckig halten und große Erfolge versprechen, diese aber nicht einlösen.

Die Konsequenz: Die Firmen hören auf die falschen Ratgeber und entwickeln ungeeignete Programme. Sie nutzen veraltete Technologien, die keine verwertbaren Erkenntnisse liefern. Im Folgenden werden vier CX-Mythen aufgelistet, denen Unternehmen keinen Glauben schenken sollten. Denn sie könnten ihre Gewinne schmälern, Ressourcen vergeuden und ihrem Markenimage schaden.

Mythos Nummer eins: Katastrophale Fehler schaden einer Marke mehr als kleine Pannen

Es mag zwar einleuchtend erscheinen, dass ein grober Schnitzer Ihrem Image mehr schadet als eine Serie kleiner Fehler, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Mehrere kleine Pannen oder systematische Versäumnisse richten mehr Schaden an als ein einziger Patzer riesigen Ausmaßes.

Der Grund: Der Mensch sucht überall unbewusst nach Mustern. Daher ziehen Abweichungen unsere Aufmerksamkeit auf sich. Allerdings speichern wir solche Unregelmäßigkeiten instinktiv als irrelevant ab, wenn sie sich nicht persönlich auf uns auswirken. Katastrophen treten naturgemäß nicht sehr oft ein, und meist glauben wir, dass sie gerade uns nie passieren werden. Deshalb nehmen wir sie zur Kenntnis, bewerten – und ignorieren sie.

Nehmen Sie zum Beispiel den Fall Adidas: Nachdem Adidas jahrelang hinter anderen Sportmarken hinterhergehinkt war, gelang es dem Unternehmen, das Ruder herumzureißen: Es traf einige kluge Entscheidungen und richtete den Fokus auf die Customer Experience. Die Firma besann sich auf die eigenen Markenwerte und fand heraus, dass Menschen Turnschuhe nicht nur zum Joggen kaufen, sondern auch als Fashion Statement. Einige Retro-Modelle verkauften sich extrem gut.

Doch im April 2017 trat die Katastrophe ein, als Adidas eine E-Mail mit folgendem Wortlaut an die Zieleinläufer des Boston-Marathons schrieb: „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Boston-Marathon überlebt.“ 2017 jährte sich das Bombenattentat von 2013 zum vierten Mal.

Die öffentliche Empörung war riesig und vorhersehbar. Adidas postete deshalb eine offensichtlich aufrichtig gemeinte Entschuldigung. Die Umsätze von Adidas stiegen bis Ende 2017 um 31 Prozent, während die Erlöse der anderen führenden Anbieter im gleichen Marktsegment sanken: Nike hatte drei Prozent und Under Armour zwölf Prozent weniger Umsätze zu verzeichnen. Offensichtlich hatten die E-Mail und das folgende PR-Fiasko keine erkennbaren negativen Auswirkungen auf den Umsatz. Dagegen hätten sich wiederholte kleine Versäumnisse, wie beispielsweise eine durchgehend unangenehme Customer Experience, möglicherweise im Bewusstsein der Kunden festgesetzt. Für Adidas – wie für jedes andere Unternehmen auch – sind mehrere kleine Pannen letztendlich schädlicher für den Customer Lifetime Value als große Katastrophen.

Fazit: Erkennen und beseitigen Sie Faktoren, die den Kunden wirklich abschrecken. Nur so kann ein Unternehmen sein Geld effizienter investieren und sicherstellen, dass „blaue Augen“ rasch und vollständig heilen.

Mythos Nummer zwei: Schlechte Erfahrungen treiben den Kunden zur Konkurrenz

Glücklicherweise wechseln die meisten Kunden nicht gleich zur Konkurrenz, wenn sie eine schlechte Service-Erfahrung gemacht haben. Entspräche die Zahl der Kundenabwanderungen der Zahl der negativen Kritiken, könnte ein Großteil der Unternehmen innerhalb eines Monats einpacken.

Häufig bleiben die Kunden auch nach einem schlechten Erlebnis bei einem Anbieter, weil dieser ihnen Hindernisse in den Weg stellt. Man denke an die Familienpakete von Mobilfunkanbietern: Ist eine Person mit dem Paket unzufrieden, muss sie alle anderen davon überzeugen, ebenfalls zu kündigen.

Bei Fluggesellschaften funktioniert das ähnlich. Ein Fluggast, der mehrere Tausend Meilen gesammelt hat, kann die Schlangen an den Schaltern umgehen, es sich in der Lounge gemütlich machen und umsonst Gepäck aufgeben. Er ist wahrscheinlich etwas toleranter, wenn er ein paar schlechte Erfahrungen macht und bleibt weiterhin loyal.

Zufriedene Kunden wandern ab, wenn sie eine bessere Alternative finden. Auf ihre Loyalität kann man nur dann zählen, wenn sie in einer Zufriedenheitsskala im Kunden-Feedback die beste Möglichkeit wählen, also „voll und ganz zufrieden” sind.

Fazit: Viele unzufriedene Kunden kaufen ein Produkt weiterhin, auch nach einer schlechten Customer Experience. Dennoch sollten vorausschauende Unternehmen ihre CX-Initiativen durch zusätzliche Maßnahmen ergänzen (zum Beispiel durch Treueprogramme), damit sich ihre Kunden „voll und ganz zufrieden“ fühlen.