Interview

Interview mit Fritz & Macziol zum Thema „Zukunft der Netzneutralität in Europa“

Wir haben ein Interview mit Jörg Mecke, Business Unit Manager Business Productivity bei Fritz & Macziol, zum Thema „Zukunft der Netzneutralität in Europa“ geführt.

FuM_Joerg Mecke_Business Unit Manager Business Productivity

Sysbus: „Vor kurzem hat das Europäische Palament im Rahmen des Telekommunikationspakets Regeln zur Netzneutralität verabschiedet. Diese legen zwar die Netzneutralität prinzipiell fest, erlauben aber so genannte Spezialdienste, über die sich dann aber doch bestimmte Datenübertragungen schneller abwickeln lassen sollen, als andere. Diese Spezialdienste wurden in dem Entwurf nicht genau definiert, in der Politik wurden als Beispiele dafür aber unter anderem Datenübertragungen zu selbstfahrenden Autos und Telemedizin genannt. Was halten sie von dem neuen Gesetz?“

Mecke: „Durch die fehlende Präzision kann man sich natürlich die zeitkritischen Dienste ausmalen und ihnen den Vorrang gewähren. Dennoch ist das sehr romantisch dargestellt, denn die Carrier sind eines: Unternehmen, die nach Gewinnmaximierung streben. Und da geht es vor allen Dingen darum, die durch Flatrates geprägten Internet-Verbindungen mit zusätzlichen Einnahmequellen zu belegen.“

Sysbus: „Die Telekom hat bereits kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes ein Statement herausgegeben, das die eben genannten Spezialdienste deutlich weiter fasst. Nach Meinung des Telekom-Chefs Höttges gehören zu den Diensten auch Online-Gaming und Videokonferenzen. Außerdem möchte die Telekom mit ein paar Prozent am Umsatz von Startups beteiligt werden, wenn sie diesen Spezialdienste zur Verfügung stellt. Vodafon erklärte gleichzeitig, dass die Überlegungen der Telekom im Prinzip richtig seien. Denken Sie, dass solche Pläne realisierbar sind und welche Auswirkungen werden sie auf den Geschäftsalltag von Unternehmen im Internet haben?“

Mecke: „Der Gedanke an die Umsetzung solcher Pläne klingt für mich unrealistisch. Einerseits ist eine Umsatzbeteiligung nicht im Sinne der Entwickler, denn sie tragen das Risiko und nicht der Carrier und der entstandene Netzwerkverkehr ist unabhängig vom Umsatz. Andererseits merkt man, dass nur national gedacht wurde. Die internationalen Konzerne für das deutsche Netz zahlen zu lassen führt eher zum weiteren Verlust der deutschen Mitgestaltung von Weltmärkten. Da die Internettelefonie von Microsoft dominiert wird, wünsche ich den Carriern viel Erfolg bei den Verhandlungen.“

Sysbus: „Welche Auswirkungen des neuen Gesetzes erwarten Sie auf das Endnutzererlebnis im Internet?“

Mecke: „Zunächst einmal keine. Das Gesetz ist so butterweich formuliert, dass man die Aktionen der Anbieter und die Reaktionen der Kunden abwarten muss. Angenommen ein Carrier würde Skype herunterpriorisieren, weil es mit 30 Prozent aller weltweit geführten Telefonate das Internet ‚belegt‘, würden die Nutzer höchstwahrscheinlich den Anbieter wechseln.“

Sysbus: „Welche weiteren Auswirkungen wird das Gesetz ihrer Meinung nach noch mit sich bringen?“

Mecke: „Unternehmen kommen wieder zu einer Qualitätsdiskussion für WAN-Verbindungen zurück. Während es in der Vergangenheit immer billiger sein musste und die WAN-Verbindungen auf das Internet als günstiges Transportmedium verlagert wurden, erkennen die Kunden spätestens bei den Diskussionen um Netzneutralität, dass die Qualität und Performance im Internet tendenziell ein Zufallsprodukt ist. Wenn das reicht, ist es fein – wenn nicht, gibt es ausgereifte Alternativen, die Latenzen und Bandbreiten abgesichert verfügbar machen.“