Wie Prozessintelligenz und Process Mining den KI-Einsatz effizienter machen
Autor/Redakteur: Rudy Kuhn, Lead Transformation Evangelist bei Celonis/gg
Spätestens seit dem Siegeszug von Chat-GPT ist das Thema Künstliche Intelligenz fester Bestandteil des medialen Diskurses in Deutschland. Dabei wird es teils so breit ausgeschlachtet, dass Journalisten in einigen Fällen von „KI-Washing“ sprechen. Gemeint ist damit, dass Unternehmen irreführende Angaben über den angeblichen Einsatz von KI in ihren Produkten und Services machen, um sich den Anstrich technologischen Fortschritts zu verleihen. Die US-amerikanische Börsenaufsicht klagte deswegen im März 2024 sogar zwei Anlageberatungsunternehmen an.

Dabei birgt KI tatsächlich immense Potenziale, vor allem wenn es darum geht, Unternehmensprozesse zu optimieren. In diesem Kontext sind zwei weitere Begriffe wichtig, die fälschlicherweise oft gleichgesetzt werden: Prozessintelligenz und Process Mining. Beide ermöglichen datengestützte Einblicke in relevante Unternehmensprozesse und schaffen so Transparenz, die es Anwendern erleichtert, fundierte Entscheidungen zu treffen. Im Kontext der datenbasierten Prozessoptimierung beschreiben sie jedoch jeweils unterschiedliche Aspekte: Der Einsatz von Process Mining schafft die Voraussetzungen, unter denen Prozessintelligenz überhaupt erst wirksam werden kann. Daher ist es wichtig, zwischen den Begriffen zu differenzieren.
Was ist Process Mining?
Process Mining ist eine Technologie, die Geschäftsprozesse automatisch visualisiert, so die Analyse erleichtert und Optimierung ermöglicht. Sie schafft eine objektive Sicht darauf, wie Prozesse über verschiedene Systeme und Abteilungen hinweg tatsächlich ablaufen. Dafür führt die Technologie Daten aus unterschiedlichen Quellsystemen, zum Beispiel ERP, WMS oder CRM, zusammen und reichert sie mit zusätzlichen internen und externen Datenpunkten an. Dies macht Schwachstellen und Engpässe sichtbar und versetzt Teams in die Lage, effiziente Gegenmaßnahmen zu ergreifen und Mehrwerte zu realisieren.
Was ist Prozessintelligenz?
Process-Intelligence-Lösungen gehen über das reine Process Mining hinaus. Sie verknüpfen dessen Ergebnisse mit Wissen und Erfahrungen aus bisherigen Projekten sowie KI. Dabei nutzen sich nicht nur integrierte KI- und Machine Learning-Funktionalitäten, sondern agieren auch als “Enabler”, um KI-Tools anderer Anbieter mit dem erforderlichen Daten und dem Prozesswissen zu versorgen, was deren Einsatz im geschäftlichen Umfeld oft überhaupt erst sinnvoll möglich macht. Dabei fungieren sie quasi als gemeinsame Sprache, die alle Teile und Ebenen eines Unternehmens miteinander verbindet.
Herausforderung: Daten als Wissen verfügbar machen
Das Entscheidende: Ein solches verbindendes Element fehlt gängigen KI-Anwendungen in Unternehmen bislang oft. Denn während KI-Lösungen für den privaten Gebrauch ihre Informationen aus Online-Portalen wie Wikipedia, Firmen-Homepages oder Nachrichtenseiten schöpfen, stehen KI-Anwendungen im Unternehmenskontext oft vor einer Vielzahl an Systemen, deren Daten sie nicht ohne weiteres nutzen können. Dadurch fehlt ihnen der nötige Kontext, um valide Ergebnisse liefern zu können. Prozessintelligenz ändert das. Auf Basis der datengestützten Einblicke, die Process Mining ermöglicht, stellt sie der KI das Wissen zur Verfügung, das sie braucht, um korrekte Ergebnisse zu erzielen.
Ein Beispiel: Large Language Models (LLMs) generieren Ergebnisse, indem sie Wahrscheinlichkeiten berechnen. Doch selbst bei vermeintlich simplen Rechenaufgaben geben sie teilweise falsche Antworten, wenn ihnen nicht die richtigen Daten und das einschlägige Prozesswissen zur Verfügung stehen. Fordert man ein LLM aber auf, einen Taschenrechner zu nutzen, wird es die richtigen Ergebnisse ausweisen, weil ihm durch dieses Werkzeug neben den relevanten Daten auch das Wissen über deren zielführende Verarbeitung zur Verfügung steht.
Gemeinsame Sprache für Unternehmensprozesse
Analog zu diesem Beispiel übernimmt Prozessintelligenz bei der Optimierung von Unternehmensprozessen die Rolle eines Taschenrechners. Sie versorgt KI mit dem notwendigen Kontext, um faktisch richtige, relevante und hilfreiche Ergebnisse zu liefern, die einen konkreten Mehrwert ermöglichen. Process Mining wiederum liefert der Prozessintelligenz die notwendigen Daten, um das Kontextwissen verfügbar zu machen. Erst das Zusammenspiel von Process Mining und Prozessintelligenz versetzt KI-Anwendungen also in die Lage, Geschäftsprozesse zu verstehen und genaue sowie aktuelle Empfehlungen für Prozessverbesserungen zu geben. Es bietet eine gemeinsame Sprache für Geschäftsprozesse und schafft so den Kontext, in dem KI und Automatisierung effektiv eingesetzt werden können.
Umgekehrt hat KI das Potenzial, die Art und Weise des Process-Mining-Einsatzes entscheidend voranzutreiben. Nicht umsonst hat der Gartner Magic Quadrant für Process-Mining-Plattformen 2024 die Integration von KI als Bewertungskriterium mit einbezogen. Feststeht: Prozessintelligenz, Process Mining und KI bieten in Kombination einen messbaren Mehrwert für Unternehmen, der über den Vorwurf des KI-Washings erhaben ist.