Interview mit der ANEXIA Internetdienstleistungs GmbH zum Thema „Zukunft der Netzneutralität in Europa“
Wir haben ein Interview mit Alexander Windbichler, CEO der ANEXIA Internetdienstleistungs GmbH, zum Thema „Zukunft der Netzneutralität in Europa“ geführt.
Sysbus: „Vor kurzem hat das Europäische Palament im Rahmen des Telekommunikationspakets Regeln zur Netzneutralität verabschiedet. Diese legen zwar die Netzneutralität prinzipiell fest, erlauben aber so genannte Spezialdienste, über die sich dann aber doch bestimmte Datenübertragungen schneller abwickeln lassen sollen, als andere. Diese Spezialdienste wurden in dem Entwurf nicht genau definiert, in der Politik wurden als Beispiele dafür aber unter anderem Datenübertragungen zu selbstfahrenden Autos und Telemedizin genannt. Was halten sie von dem neuen Gesetz?“
Windbichler: „Dieses Gesetz ist ein Freifahrtschein zur Einschränkung von sämtlichen Diensten, wie man es möchte. Wenn man Böswilligkeit unterstellen möchte, dann könnte man Eigenprodukte schneller und ohne Engpässe bereitstellen und Fremdprodukte hingegen deutlich verschlechtern. Dies ist keine faire Basis. Endkunden bezahlen für ihren Internetanschluss. Der Markt im Internet Access ist hart umkämpft. Es gibt immer höhere Bandbreiten und fast ausschließlich Flatrates. Video Streaming Dienste wie beispielsweise Netflix oder YouTube belasten ein Netz freilich mehr, als ein Zugriff auf bild.de. Hier geht es um die Menge der transferierten Daten. Als Gegenvorschlag könnte man Internetflatrates gegen Volumentarife in einem vernünftigen Maß ablösen. Alles andere endet nur noch in Willkür, ohne Kontrolle.“
Sysbus: „Die Telekom hat bereits kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes ein Statement herausgegeben, das die eben genannten Spezialdienste deutlich weiter fasst. Nach Meinung des Telekom-Chefs Höttges gehören zu den Diensten auch Online-Gaming und Videokonferenzen. Außerdem möchte die Telekom mit ein paar Prozent am Umsatz von Startups beteiligt werden, wenn sie diesen Spezialdienste zur Verfügung stellt. Vodafon erklärte gleichzeitig, dass die Überlegungen der Telekom im Prinzip richtig seien. Denken Sie dass solche Pläne realisierbar sind und welche Auswirkungen werden sie auf den Geschäftsalltag von Unternehmen im Internet haben?“
Windbichler: „Die Telekom und auch sämtliche anderen Telekommunikationsdienstleister, wie es auch wir einer sind, haben absolut keinen Anspruch auf irgendwelche Beteiligungen oder extra Zahlungen. Ein Videostreaming Dienst verdient sein Geld mit der Auslieferung von Videos und Filmen. Dafür bezahlt er Equipment und zahlt auch den Datentransfer, um diese Auslieferung zu ermöglichen. Als Anbieter wie die Telekom verdient man sein Geld mit der Bereitstellung eines Internetanschlusses mit einer gewissen Bandbreite. Dieses Gesetz in dieser Variante umzusetzen endet in reiner Willkür der Telekommunikationsanbieter und ist nicht mehr zu kontrollieren. Content Anbieter könnten jederzeit erpresst werden. Dies stärkt die ohnehin schon mächtige Telekom noch um ein Vielfaches. Diesen Überlegungen muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden. Die großen Anbieter, wie Youtube, Netflix, etc. kommen Anbietern wir der Telekom ohnehin entgegen, indem sie anbieten, eigene Hardware kostenlos zur Verfügung zu stellen, um diese in das Netz des Providers zu stellen, um die Belastung der offiziellen Internet Anbindungen auf ein Minimum zu reduzieren. Dies ist einer Telekom nicht genug. Die Telekom verlangt ohnehin schon Geld von Hosting Providern, damit diese sich direkt in das Netz der Telekom beliefern können. Zahlt der Hosting Provider dies nicht, wird er über eine vollkommen überbuchte, instabile und leistungsarme Leitung geschaltet. Oft findet die Zusammenschaltung in Nordamerika statt. Wieso nun noch mehr verlangen?“
Sysbus: „Welche Auswirkungen des neuen Gesetzes erwarten Sie auf das Endnutzererlebnis im Internet?“
Windbichler: „Ein Dienst wie beispielsweise Netflix wird nicht mehr ordentlich nutzbar sein. Ein jetzt flüssiger Film wird immer wieder stoppen, um Daten nachzuladen (buffern). Das hat nichts mehr mit einem Filmerlebnis zu tun. Telekom eigene Dienste werden freilich flüssig und problemlos laufen. Was wird der Endkunde wählen? Selbstverständlich die Telekom eigene Lösung und nicht jene eines anderen Anbieters. Der gleiche Effekt wird bei Youtube, Facebook und vielen anderen Diensten auftreten. Was der Telekommunikationsanbieter als Spezialdienst definiert, bleibt ja ihm überlassen.“
Sysbus: „Welche weiteren Auswirkungen wird das Gesetz ihrer Meinung nach noch mit sich bringen?“
Windbichler: „Die Auswirkungen können in sämtliche Richtungen gehen. Man kann unliebsame Marktbegleiter leicht herabstufen, ’nette‘ Unternehmen, an denen man beteiligt ist, bevorzugen. Mit Netzneutralität hat das nichts zu tun. Mit diesem Entwurf wurde Netzneutralität festgelegt, damit man die Mehrheit befriedigt. Daraufhin folgt aber ein großes ‚Aber‘, das die Situation schlimmer macht, als sie vor diesem Gesetzesentwurf war.“