Glosse

SAP-Berater – Wie wird man das?

Autor/Redakteur: Dr. Thomas Biber, Geschäftsführerer Biber & Associates/gg

Dr. Thomas Biber, Geschäftsführer von Biber & Associates
Dr. Thomas Biber, Geschäftsführer von Biber & Associates

SAP-Berater gehören zu den gefragtesten und am besten bezahlten Berufsgruppen in Deutschland. Das liegt auch daran, dass es gar nicht so leicht ist, einer zu werden. Warum eigentlich, wo doch der Begriff nicht einmal geschützt ist?

Es gibt einen formalen Weg, sich zum SAP-Berater ausbilden zu lassen: Zertifizierungen. Der SAP-Konzern und zahlreiche Trainingsanbieter bieten Kurse an, die einen für bestimmte Module der SAP-Software schulen. Sie sind standardisiert, nicht billig und zeitaufwendig. Und dennoch: Sie zählen in der SAP-Welt am Ende wenig. Wer darauf setzt, nach der Zertifizierung einen der lukrativen SAP-Beraterjobs zu erhalten, kann enttäuscht werden, denn am Ende zählt nur die Praxis. Dies liegt am spezifischen Berufsbild des SAP-Beraters. Die Software von SAP mit ihren vielen unterschiedlichen Modulen für Branchen und Abteilungen hilft Unternehmen, ihre internen Abläufe genau zu steuern und in Echtzeit im Blick zu halten. Die Software ist entsprechend komplex, die Aufgaben eines Beraters gehen aber weit über deren Bedienung hinaus und konzentrieren sich eigentlich mehr auf die Prozesse selbst.

Übersetzer zwischen IT-Welt und Fachabteilung

Ein Berater mit Spezialisierung auf Controlling muss beispielsweise neben der Beherrschung des Moduls SAP FICO (Finance/Controlling), in der Lage sein, sich mit den komplexen Kostenstrukturen von Großunternehmen zu beschäftigen. Er muss diese so durchdringen oder erklären können, wie es ein Geschäftsführer oder Abteilungsleiter braucht. Den interessieren Fragen wie: Welchen Umsatz hat das Unternehmen pro Region erzielt? Mit welchen Produkten sind wir profitabel? Wo sind unerwartet hohe Kosten entstanden? Manager arbeiten meist auf die Verbesserung bestimmter Kennziffern hin (Key Performance Indicators, KPIs). Ein KPI gibt dann Aufschluss, ob die Zielsetzungen erreicht werden. Solche KPI zu entwerfen und ihre Aggregation umzusetzen, gehört zu den typischen Jobs eines SAP-Beraters mit Spezialisierung auf FICO oder BI (Busines Intelligence).

In den meisten Bereichen benötigen SAP-Berater ein sehr gutes Verständnis über Unternehmensabläufe. Der Job ist, zwischen den zwei Welten der IT und der Fachabteilung, wie zum Beispiel der Personal- oder Buchhaltungsabteilung, zu übersetzen. Sie müssen Prozesse verstehen, diese grafisch dokumentieren und Ideen entwickeln, um sie zu verbessern. Ein Prozess kann ganz verschiedene Abläufe beschreiben: die Auslieferung eines Produkts, den Umgang mit einer Beschwerde, die Erstellung einer Rechnung oder die Bearbeitung eines Urlaubsantrags. Es ist also nicht die Anpassung der Software, das sogenannte Customizing, die am meisten Zeit kostet, sondern es sind fachliche Fragen der Unternehmensführung.

Ein SAP-Projekt verändert ein Unternehmen organisatorisch

Im Zuge einer SAP-Einführung stellt der Berater oft fest, dass sich die Vertreter des Unternehmens selbst nicht einig sind und die gleichen Dinge in der Vergangenheit verschieden gehandhabt haben: Schaut erst Abteilung A auf ein Kundenschreiben oder erst Abteilung B? Wer kümmert sich um die Lieferung eines Produkts, das nicht mehr auf Lager ist?

Hier muss der SAP-Berater Entscheidungsvorlagen erarbeiten und auch diplomatisch geschickt agieren. Sein Job ist es zu moderieren, Entscheidungen herbeizuführen und konsequente Lösungen durchzufechten und umzusetzen. Dies geschieht mitnichten alles vor dem Computerbildschirm, sondern in zahlreichen Besprechungen mit den Beteiligten. Ein SAP-Projekt verändert ein Unternehmen organisatorisch. Bei einer SAP-Einführung geht es also immer auch um Rationalisierung, wo nicht immer jeder Mitarbeiter mitziehen will. Deshalb muss ein SAP-Berater seinen Ansprechpartnern auch einmal erklären können, warum ein Ansatz gescheitert ist oder warum ein Prozess so, wie ein Beteiligter ihn sich wünscht, keinen Sinn ergibt. Hier müssen dann auch mal unangenehme Nachrichten überbracht werden.

Ein Berater braucht eine gut ausgeprägte Fähigkeit, mit der Komplexität der Materie umzugehen, und daneben hohe Kommunikationsfähigkeit, Parkettsicherheit und Konfliktbereitschaft. Ob das jemand mitbringt, lässt sich über eine Zertifizierung nicht prüfen. Und deshalb zählt in der SAP-Welt nur die Berufserfahrung.

Der typische Ausbildungsweg eines SAP-Beraters beginnt in einem technischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang. In Fächern wie Betriebswirtschaftslehre, Informatik oder Wirtschaftsinformatik gibt es starke Berührungspunkte zum Thema SAP. Oft haben die Uni-Institute dieser Fächer SAP-Testinstallationen auf eigenen Systemen, auf denen Studenten einen ersten Einblick in das Customizing erhalten können. In aller Regel konzentrieren sich Kurse und Seminare auf ein Teilthema, zum Beispiel ein Programmierkurs in ABAP oder ein Kurs in den Grundbegriffen von SAP BI. Solche Kurse sind ein Anfang, die den Weg in ein Praktikum bei einer SAP-Beratungsfirma ebnen. Alternativ kann auch fundiertes Branchenwissen, zum Beispiel über Logistikabläufe, ohne vorherige Berührungspunkte zur SAP-Software zu einem Praktikumsplatz verhelfen.

Praktika: Teilprojekte verantworten

Praktika in der SAP-Welt sind in aller Regel bezahlt. Sie sollten mindestens drei bis sechs Monate dauern, damit den Praktikanten ein ausreichend tiefer Einblick in Projekte möglich ist und sie erste Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen können. Es zählen hohes Engagement und die Bewährung in praktischen und systemnahen Aufgaben. Praktikanten sollten deshalb einfordern, während Praktikums in Abstimmung mit einem Mentor kleinere SAP-Teilprojekte selbstständig zu betreuen.

Je mehr Praktika ein Student macht, desto leichter fällt der Einstieg in den SAP-Arbeitsmarkt. Das Praktikum sorgt für die richtigen persönlichen Verbindungen. Und ein positives Praktikumszeugnis, das die für SAP Berater nötigen Hard- und Soft Skills hervorhebt, zählt bei der Suche nach der ersten Stelle mehr als jede Zertifizierung.

Der nächste Schritt ist, sich gegen Ende des Studiums für den Direkteinstieg zu bewerben. Da sehr viele Unternehmen händeringend SAP-Nachwuchs suchen, sprechen viele die Studenten mit ihrem Hochschulmarketing an und präsentieren sich auf Jobmessen. Wer gute bis sehr gute Noten in einem der genannten Studiengänge und Praktika vorzuweisen hat, besitzt beste Karten.