Artikel

Social Media-Unternehmen dürfen nicht gezwungen werden, Schiedsrichter der Wahrheit zu sein

Autoren/Redakteur: Von Nick Wallace, einem in Brüssel ansässiger Politikwissenschaftler am Center for Data Innovation und Alan McQuinn, Forschungsanalyst der Information Technology and Innovation Foundation (ITIF)/gg

Unter dem zunehmenden globalen Einfluss von sogenannten “Fake News”, also Falschmeldungen, hat Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, vor kurzem einen Gesetzesvorschlag angekündigt, der soziale Medienplattformen wie Facebook zwingen soll, Beiträge zu löschen, die die Gesetzesdefinition von “Falschmeldungen” erfüllen. Laut dem vorgeschlagenen Gesetz müssten Unternehmen in Deutschland Rechtsschutzstellen einrichten, die innerhalb von 24 Stunden Beschwerden überprüfen und beleidigende Inhalte löschen. Andernfalls drohen ihnen Geldstrafen von bis zu 500.000 Euro. Die Schwierigkeiten bei der Identifizierung von Falschmeldungen in Verbindung mit der Androhung von Geldbußen würden erhebliche Kosten für Social-Media-Unternehmen, insbesondere für Start-ups, verursachen und wahrscheinlich zur Löschung von legitimen Artikeln, wie Satiretexten, führen. Glücklicherweise stehen effektivere und weniger aufwendige Alternativen zur Verfügung, die bei der Handhabung von Falschmeldungen helfen.

Falschmeldungen stellen ein Problem dar, es ist aber ein Fehler, dieses Problem den sozialen Medien zuzuschreiben. Falsche Geschichten wurden veröffentlicht, seit es publizierende Medien gibt. Sie reichen von den antisemitischen Fabrikationen eines russischen Zaren bis hin zu irreführenden Behauptungen über die Gefahren der Impfung und die Wunder der Homöopathie, (die deutsche Krankenversicherungen bis vor kurzem unterstützten). Lügen und Propaganda finden ihr “Potenzial” nicht in der modernen Technik, sondern in der menschlichen Leichtgläubigkeit.

Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass Social-Media-Unternehmen keine Verantwortung für ihre Plattformen haben. In den meisten Websites gelten Community-Standards für die von den Nutzern veröffentlichten oder geteilten Inhalte. Zum Beispiel haben Facebook, YouTube, Microsoft und die Europäische Kommission einen Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Hassbotschaften herausgegeben. Darüber hinaus entfernen soziale Medien-Websites bereits Inhalte, die gemäß lokaler Gesetze widerrechtlich sind. Im Jahr 2015 hat Facebook in Deutschland 554 Inhalte gesperrt, die Hassbotschaften oder Holocaust-Leugnungen enthielten. Beides ist im Land verboten. Dennoch ist es in Deutschland nicht rechtswidrig, gefälschte Nachrichten zu verbreiten. Beunruhigend ist jedoch, dass die Politik die Verbreitung von ansonsten rechtmäßigem Inhalt verbieten würde.

Social-Media-Unternehmen zur Polizei über den Wahrheitsgehalt der auf Social Media geteilten Artikel zu machen, wäre aufgrund der Mehrdeutigkeit bei der Definition von Wahrheit nicht praktikabel. Sollte Facebook zum Beispiel einen Artikel entfernen, wenn Fehler auf schlampiger Berichterstattung beruhen oder sich Informationen später als falsch herausstellen? Und was ist mit der Satire in Publikationen wie Private Eye, The Daily Mash und The Onion? Sie alle enthalten Geschichten, die nicht wahr sind, um ihre Leser zum Lachen und Nachdenken zu bringen, und Satireartikel sind zum Teil auch deshalb spaßig, weil immer wieder Menschen darauf hereinfallen. Darüber hinaus können sich Geschichten ohne Grundlage später tatsächlich als wahr herausstellen: Im Jahre 1879 wäre es selbstverständlich gewesen, an der Behauptung der Firma Listerine, dass deren Mundwasser Durchfall vorbeugen könne, zu zweifeln. Eine Studie von 2016 besagte jedoch, dass tatsächlich etwas Wahres dran sein könnte.

Die mobile Version verlassen
%%footer%%